..ist der name eines kleinen handgemachten endlosen weblogs mit sporadischen beiträgen zur lage der nation. verfasst von einem losen zusammenschluss von schreiberlingen, ohne dass jemand dazwischen quatscht.

Dienstag, 9. Februar 2010

Wenn Lumpen von Lumpen Lumpen kaufen...

... dann sind das immer noch Lumpen! Die deutsche Bundesregierung kauft geklaute Daten von vermeintlichen Steuerhinterziehern und schon lange wurde kein Thema kontroverser diskutiert. Legitimes Mittel oder ein Geschäft mit Dieben? Die Meinungen gehen stark auseinander und jeder sieht im Anderen den Kriminellen. Argumentiert wird teilweise haarsträubend von "rechtlich geboten" bis "rechtswidrig". Hier nun eine wertungsfreie Abhandlung mit dem Versuch einer objektiven Klarstellung:

Die Bundesregierung und ihre Behörden sind an Recht und Gesetze gebunden. Das ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes und den Regeln der Strafprozessordnung. Der heimliche Zugriff auf informationstechnische Systeme, d.h. die sog. Online-Durchsuchung, ist danach nicht zulässig. Auch nach der Abgabenordnung ist es für Steuerfahnder rechtswidrig, fremde Computer nach Hinweisen zu Steuerhinterziehung zu untersuchen.
    Hier handelt es sich um Daten aus einem Diebstahl in der Schweiz. Das ist eine Straftat in Deutschland ebenso wie in der Schweiz. Hier muss nun also von den Behörden geprüft werden, ob der Ankauf solcher Daten aufgrund der ihnen zustehenden Befugnissen rechtmäßig wäre.
      Wenn es dem rechtsstaatlichen Land nicht gestattet ist unmittelbar auf Daten zuzugreifen, dann kann es auch nicht zulässig sein, dass er es mittelbar macht. D.h. es ist juristisch nicht akzeptabel, dass ein Staat Diebe, Hacker oder James Bond damit beauftragt, Daten illegal zu beschaffen. Das ergibt sich aus allen Grundsätzen staatlichen Handelns aus dem Grundgesetz.
        Vor Gericht wird, unter bestimmten Umständen, rechtswidrig erlangtes Beweismaterial zur Verwendung in Strafprozessen zugelassen. Im Umkehrschluss wird dadurch aber die Beschaffung des Beweismaterials nicht rechtskonform.
          Das Angebot des Datendealers ist, gegen die Bezahlung von 2,5 Millionen Euro, Informationen über 1500 angeblicher Steuerhinterzieher zu verkaufen. Diese Informationen sollen ein Vielfaches des Preises in die deutschen Staatskassen spülen.

          Hier werden also in erster Linie Daten gekauft um Geld zu verdienen. Würde der Dealer die Informationen für 2,5 Billionen anbieten, würde man sie nicht kaufen, denn nicht nur nach Adam Riese würde sich das nicht lohnen. Steuerhinterziehung ist in Deutschland eine Straftat und auch eine sehr verwerfliche. Der Zweck heiligt im Rechtsstaat jedoch nicht alle Mittel. 1+1 bleibt 2 und Datenklau bleibt rechtswidrig, auch wenn er für den "guten Zweck" ist. Es ist nicht vertretbar, wenn Datenschutz nach merkantilen Zwecken ausgelegt wird.
            Die zur Begründung oft auch herangezogenen Vergleiche mit der sog. Kronzeugenregelung oder dem Begehen von Scheingeschäften zur Aufdeckung von Rauschgiftstraftaten sind undifferenzierte Polemik und nicht einschlägig, weil juristisch nicht vergleichbar.
              Entgegen mancher landläufiger Meinung ist der deutsche Datenkauf jedoch keine Hehlerei. Die Hehlerei, geregelt in § 259 Strafgesetzbuch, setzt in ihrem Tatbestand voraus, dass es sich bei der gestohlenen Ware um eine Sache iSd. Strafrechts handelt. Der Sachbegriff umfasst lediglich körperliche Gegenstände, nicht jedoch reine Daten (Datenträger allerdings schon). Hier handelt es sich um Daten und somit ist die Hehlerei hier nicht einschlägig. Aber, und das ist ein großes Aber: § 259 StGB schützt das Rechtsgut Vermögen, d.h. Sinn und Zweck der Hehlerei ist der Schutz davor, dass Täter Dinge stehlen um sich oder Dritte rechtswidrig zu bereichern. Der deutsche Datenkauf ist juristisch betrachtet unerheblich iSd. § 259, jedoch ist der Unrechtsgehalt doch der selbe! Es darf eigentlich nicht minder verwerflich sein, wenn ich geklaute Daten aufkaufe, als wenn ich geklaute Goldbarren kaufe! Das führt doch zu einer unzulässigen Bevorteilung von Datendieben!?

                      Fazit:

                      Ein solch leichtfertiger Umgang mit rechtsstaatlichen Vorgaben und Datenschutz ist höchst fragwürdig. Es ist nicht vertretbar, wenn Datenschutz nach merkantilen Zwecken ausgelegt wird. Die Leute, die solche Daten kaufen, brauchen niemanden mehr über Datenschutz zu belehren!

                      Neben den deutschen Rechtsnormen werden dabei auch ausländische, hier die schweizer, Rechtsgrundsätze verletzt. Wenn in Deutschland diese Praxis salonfähig wird, dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn andere Staaten unsere Rechtsordnung auch nicht einhalten.

                      Außerdem führt dies zu einer Bagatellisierung des Datendiebstahls und zur regelrechten Anstiftung für andere Täter - siehe die aktuellen Datenangebote in Bayern und Baden-Württemberg.
                        In Zukunft muss unser Rechtsstaat für derartige Fälle den mühsamen Weg der Amts- und Rechtshilfe gehen und besser die kooperative Datenübermittlung zwischen den Staaten verbessern, z.B. durch ein neues Doppelbesterungsabkommen mit der Schweiz.


                        Prost!

                        Nachtrag 6.Februar 2010: 
                        Nach einem Zeitungsbericht bekommt ein deutscher Steuersünder nun Schadensersatz von einer liechtensteiner Bank in millionenhöhe wegen der rechtswidrigen Herausgabe seiner Daten an deutsche Behörden. So entschied ein Liechtensteiner Gericht. zum Zeitungsbericht.

                        Nachtrag 24. Februar 2010: 
                        Der deutsche Anwaltsverein und der schweizerische Anwaltsverband teilen diese Rechtsauffassung und haben unter dem Titel "Anwälte in Deutschland und Schweiz einig: Rechtsstaatliche Grundsätze auch im Steuerrecht nicht disponibel" zum Thema eine Resolution ausgearbeitet. Zur Resolution

                        Nachtrag 18. Oktober 2010:
                         Änderungsentwurf des Deutsch-schweizer Doppelbesteuerungsabkommen zur Verhinderung von Steuerhinterziehung sowie die Verwendung gekaufter Bankkundendaten durch die deutschen Finanzbehörden. Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble und sein schweizer Amtskollegen, Bundesrat Dr. Hans Rudolf Merz, legten den ausgehandelten Vertragstext für das DBA nun vorläufig fest.  Damit soll das bereits bestehende DBA zwischen der Schweiz und Deutschland geändert werden. Im Zentrum des Entwurfs stand die Verwendung gekaufter Bankkundendaten durch die deutschen Finanzbehörden. Artikel zum DBA


                        Nachtrag 19. Oktober 2010:
                        Deutschland hat erneut Daten über mutmaßliche Steuerhinterzieher aus der Schweiz erworben. Medienberichten zufolge hat Nordrhein-Westfalen nun Daten einer Schweizer Bank über mutmaßliche Steuerhinterzieher erworben.
                        Bereits im Sommer sei für etwa 1,5 Millionen Euro eine CD mit 200 Datensätzen der Schweizer Bank Julius Bär erworben worden, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Münster am Montag. Derzeit würden die Daten und Vermögenswerte überprüft. Angaben zum Verkäufer machte die Behörde nicht.
                         Das Geschäft mit den Daten floriert. Die Bundesregierung hatte bereits Anfang des Jahres eine Daten-CD mit Angaben zu angeblich 1500 deutschen  Steuerhinterziehern in der Schweiz angeboten bekommen. Nordrhein-Westfalen entschied sich damals schon zum Kauf - für einen  Betrag von 2,5 Millionen Euro. Quelle: sueddeutsche.de

                        3 Kommentare:

                        Anonym hat gesagt…

                        Für Lumpen lässt sich selbst ein Lump nicht lumpen.

                        Anonym hat gesagt…

                        „Kleider machen Leute, Lumpen machen Läuse.“

                        Volxvergnügen hat gesagt…

                        UPDATE 24. Februar 2010:
                        Der deutsche Anwaltsverein und der schweizerische Anwaltsverband teilen diese Rechtsauffassung und haben zum Thema eine Resolution ausgearbeitet. http://twitterurl.net/i/2fm